Eine Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist durch den besonderen Kündigungsschutz nicht ohne weiteres möglich. Als Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung ist man daher besonders vor einer arbeitgeberseitigen Kündigung geschützt. Der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer entspringt dem Gedanken der gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben.
Ohne eine behördliche Genehmigung, die der Arbeitgeber vor einer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers einholen muss, ist eine Kündigung in jedem Fall unwirksam. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht unkündbar sind.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Markus Maximilian Zametzer informiert in diesem Beitrag über den besonderen Kündigungsschutz von schwerbehinderten Arbeitnehmern.
Inhalt
1. Habe ich als Schwerbehinderter Kündigungsschutz?
Für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt sowohl der allgemeine als auch der besondere Kündigungsschutz. Bei dem allgemeinen Kündigungsschutz gilt, dass der Arbeitgeber nur dann kündigen darf, wenn einer von drei Kündigungsgründen vorliegt: die Kündigung muss aus verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Gründen geschehen. Nur wenn einer dieser Gründe vorliegt, ist eine Kündigung überhaupt sozial gerechtfertigt.
Der allgemeine Kündigungsschutz gilt für alle Arbeitnehmer, die länger als 6 Monate bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt sind – 6-monatige Wartefrist – und wenn in dem Unternehmen mehr als 10 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer arbeiten. Auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt damit der allgemeine Kündigungsschutz.
Mehr zum Thema ordentliche Kündigung und was Sie dabei beachten sollten, lesen Sie in folgendem Beitrag.
Der besondere Kündigungsschutz
Damit der Arbeitgeber einen schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen kann, muss er ein besonderes behördliches Verfahren durchlaufen – § 168 SGB IX. Zuständig hier ist das Integrationsamt. In Bayern ist hierfür das Inklusionsamt beim Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) zuständig.
Vor einer beabsichtigten Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung der Behörde einholen und sie nicht bloß informieren. Dies gilt für alle Kündigungsarten, ob ordentlich fristgemäß oder außerordentlich fristlos; aber auch für Tat- und Verdachtskündigungen.
Mehr zum Thema Verdachtskündigung, lesen Sie in diesem Beitrag.
Besonderer Kündigungsschutz bedeutet nicht Unkündbarkeit
Der Sonderkündigungsschutz bedeutet allerdings nicht, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer unkündbar sind. Gibt es gute Gründe für eine Kündigung, wird die Behörde dem Kündigungsbegehren des Arbeitgebers zustimmen.
Der besondere Kündigungsschutz gilt unabhängig der Betriebsgröße, so dass der Sonderkündigungsschutz auch in Kleinbetrieben zu beachten ist. D.h. auch wenn der allgemeine Kündigungsschutz aufgrund der Betriebsgröße nicht unmittelbar anwendbar ist, muss der Arbeitgeber den besonderen Kündigungsschutz seiner Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung beachten. Aber auch hier gilt die 6-monatige Wartefrist.
Behördliches Verfahren des Integrationsamtes/Inklusionsamtes
Das Integrationsamt wird nur auf Antrag des Arbeitgebers tätig. Eine Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist deshalb schon dann rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber dieses Verfahren nicht betrieben oder nicht bis zur Entscheidung der Behörde abgewartet hat. Aufgabe des Integrationsamtes und des behördlichen Verfahren bei einer Kündigung ist es, die besondere Schutzwürdigkeit schwerbehinderter Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen.
2. In welchen Fällen stimmt das Integrationsamt einer Kündigung zu?
Das Integrationsamt/Inklusionsamt prüft, ob die Kündigung in Zusammenhang mit der Behinderung des Arbeitnehmers steht oder nicht. Deshalb wird das Integrationsamt einer Kündigung nur dann zustimmen, wenn die Kündigung des Arbeitgebers keinen Zusammenhang mit der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers hat. Steht die Kündigung aber im Zusammenhang mit der Kündigung, erteilt das Integrationsamt keine Zustimmung zur Kündigung.
Für diese Prüfung holt das Integrationsamt Stellungnahmen vom Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung ein, falls dieser existieren. Auch der Arbeitnehmer selbst wird zu der beabsichtigten Kündigung angehört. Nach den Anhörungen soll das Integrationsamt innerhalb von einem Monat eine Entscheidung treffen. Es sind dabei alle den Einzelfall betreffenden und relevanten Umstände zu berücksichtigen.
Ein mehrfaches Fehlverhalten, das z.B. eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt, ist nicht durch den besonderen Kündigungsschutz geschützt. Bei einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung prüft das Integrationsamt, warum genau der Arbeitsplatz des schwerbehinderten Arbeitnehmers wegfällt und ob dem Betroffenen kein gleichwertiger Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.
3. Wann muss das Integrationsamt nicht angehört werden?
In bestimmten Fällen muss das Integrations-/Inklusionsamt nicht angehört werden. Dies ist, wie bereits erwähnt, dann der Fall, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer weniger als 6 Monate im Unternehmen beschäftigt ist. Der Zeitraum ist dabei unabhängig von der Länge der Probezeit. Ist das Arbeitsverhältnis befristet und endet durch den Ablauf der Befristung, muss das Integrationsamt auch nicht um Zustimmung gebeten werden.
Kündigt der Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung selbst oder schließen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, dann benötigt man das Verfahren vor dem Integrationsamt ebenso nicht.
Die Ausnahmen für das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes finden sich in § 173 SGB IX. Das Integrationsamt muss auch dann nicht der arbeitgeberseitigen Kündigung zustimmen, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer bereits das 58. Lebensjahr vollendet hat und ihm aufgrund der Kündigung ein Anspruch auf eine Abfindung, eine Entschädigung oder eine ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes zustehen.
Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss eine Schwerbehinderung im Rahmen der Sozialauswahl berücksichtigt werden. Mehr dazu in diesem Beitrag.
4. Kann man mit 50% Schwerbehinderung gekündigt werden?
Damit man als Arbeitnehmer vom besonderen Kündigungsschutz geschützt ist, muss man schwerbehindert sein. Als schwerbehindert gilt man in Deutschland nach § 2 Abs. 2 SGB IX dann, wenn der Grad der Behinderung (GdB), der durch das Versorgungsamt festgestellt wurde, mindestens 50 beträgt.
Es reicht auch aus, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft offensichtlich ist. Als zweite Alternative gilt, dass die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung bereits behördlich festgestellt worden ist.
Der Arbeitgeber muss nicht über die Schwerbehinderteneigenschaft informiert werden, damit der Sonderkündigungsschutz gilt. Es reicht aus, mit Zugang der Kündigung den Arbeitgeber über die Schwerbehinderung zu informieren. Nach dem Zugang der Kündigung hat man maximal drei Wochen Zeit, um den Arbeitgeber über die Schwerbehinderung zu informieren.
Besonderer Kündigungsschutz auch für gleichgestellte Arbeitnehmer
Der Sonderkündigungsschutz gilt auch für sog. gleichgestellte Arbeitnehmer. Bei der Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen genügt auch ein Grad der Behinderung von mindestens 30. Der Antrag auf Gleichstellung kann bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt werden.
Voraussetzung für den Antrag ist neben einem GdB von 30 oder 40, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers aufgrund der Behinderung gefährdet ist und er deswegen keinen geeigneten Arbeitsplatz finden kann.
Hat die Bundesagentur der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen entsprochen, gelten auch bei einem GdB von 30 und 40 die gleichen Schutzrechte wie für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer, wie etwa der Sonderkündigungsschutz.
Sonderkündigungsschutz auf für Azubis und leitende Angestellte
Der Sonderkündigungsschutz gilt für alle schwerbehinderten Arbeitnehmer. Er erstreckt sich deshalb auch auf Auszubildende, genauso wie auf leitende Angestellte.
5. Was mache ich, wenn ich trotz Schwerbehinderung gekündigt wurde?
Es ist zu unterscheiden, ob das Integrationsamt zugestimmt bzw. überhaupt beteiligt wurde. Hat der Arbeitgeber ohne die Beteiligung des Integrationsamtes gekündigt, ist die Kündigung in jedem Fall offensichtlich rechtsunwirksam. Aber in einem solchen Fall muss man trotzdem eine Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben. Und dies innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung.
Wurde man durch das Integrationsamt angehört, hat die Behörde der Kündigung zugestimmt und hat der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen, sollte man ebenso Kündigungsschutzklage erheben. Auch hier beträgt die Frist drei Wochen nach Zugang der Kündigung.
Darüber hinaus sollte man gegen die Zustimmung der Kündigung durch das Integrationsamt Widerspruch einlegen. Dieser muss innerhalb von 4 Wochen erfolgen, aber muss nicht sofort begründet werden. Es reicht hier ein erster formloser Widerspruch.
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